Die Vielfalt der Klänge einer Orgel bietet unzählige musikalische Möglichkeiten für Organisten und das Ohr der Zuhörenden. Kaum ein anderes Instrument kann einen Kirchraum erfüllen und mit seinen Klangfacetten nicht nur das Gehör, sondern Leib und Seele in Schwingung versetzen und erfreuen. Und sie kann, mit Können und Gefühl gespielt, eine Gemeinde zum Lob Gottes, zum Singen, bewegen.
Grußwort des Kirchenmusikdirektors Hans-Martin Petersen
anlässlich der Einweihung am 25.11.2011
Ein großes Gemeinschaftswerk wird festlich gekrönt. Die mit viel persönlichem Einsatz und großem finanziellen Aufwand betriebene Rückführung der Marcussen-Orgel von 1890 auf ihren ursprünglichen Zustand findet nun ihren Abschluss mit der Wiedereinweihung eines Instruments, für das sich dieser Aufwand gelohnt hat. Die gute erhaltene Grundsubstanz der Orgel war die Basis für ein Vorhaben, das zunächst aussichtslos erschien, denn die Orgelbaumaßnahmen von 1978 waren nicht nur von äußerst dürftiger Qualität, sie haben auch konzeptionell zu einer völligen Entstellung des ursprünglichen Instruments geführt. So waren die Kosten für die notwendigen Rekonstruktionsmaßnahmen erheblich und wurden zu einer Hürde, die nur durch den Mut und das Engagement einzelner Kirchenvorsteher, sowie die Hilfe des Kirchenkreises und zahlreicher Spender überwunden werden konnte
Die Orgelbaufirma Paschen wurde beauftragt die Maßnahme durchzuführen und sie hat vorzügliche Arbeit geleistet. Der Spieltisch befindet sich im alten Stil wieder am ursprünglichen Platz, die hässlichen Blenden konnten entfernt werden, die technische Anlage und der Klang entsprechen wieder der soliden Bauweise und dem Stil des 19. Jahrhunderts. Alle Register wurden für ein homogenes Gesamtkonzept optimal aufeinander abgestimmt. Das Plenum füllt den Kirchenraum mit einer satten Grundtönigkeit und einem angenehmen Volumen. Sehr bewährt hat sich der Einbau des ursprünglich disponierten Violon 16’. Die Intonation ist sehr gelungen, jedes Register hat seinen Charakter und ist gleichzeitig geeignet für die Mischung mit anderen Stimmen. Die Qualität der klanglichen Arbeiten ist auch daran zu erkennen, dass mit den nur 12 Registern zahlreiche Möglichkeiten der Registrierung bestehen.
Mit der Rückführung der Orgel auf den Zustand von 1890 besitzt die Kirchengemeinde Siebenbäumen wieder ein intaktes, homogenes Instrument, das auch für unseren Kirchenkreis und die Orgellandschaft in unserer Landeskirche eine besondere Stellung einnimmt. Der Mut des Kirchenvorstands, dieses Projekt anzugehen, wurde mit einer sehr guten Arbeit der Familie Paschen belohnt. Ich gratuliere Siebenbäumen und dem Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg zu einer Investition, die nachhaltig wirken wird, denn die Kirchenmusik ist ein unüberhörbares Zeugnis unseres Bekenntnisses zum lebendigen Gott in unserer Zeit.
KMD Hans-Martin Petersen, Orgelsachverständiger der Nordelbischen Kirche
Die Orgel in Siebenbäumen aus der Sicht des Orgelbauers
Es war einmal eine feine kleine Marcussen-Orgel, die mit ihrem kräftigen, grundtönigen und warmen Klang den Gottesdienst bereicherte und den Gemeindegesang stützte. Hinter der Orgel standen ein paar Bälge und fleißige Calkanten (Bälgetreter) haben das Instrument mit Wind gefüllt. Ein tüchtiger Organist, der Dorfschullehrer, hat kräftig in die Tasten gegriffen, um der Orgel ihren Klang zu entlocken. Er hatte ein paar, aber gefühlvolle Choralvorspiele im Programm, improvisierte etwas und wusste, was er für Register brauchte, um den kräftigen Gemeindegesang zu begleiten.
Doch dann! Als ich das erste mal nach Siebenbäumen kam, fand ich ein Instrument vor, das, kurz umrissen, über die Jahre seines Bestehens immer wieder stark verändert, umgebaut, umdisponiert und umintoniert wurde. Schlussendlich war es zu einer Orgel verkommen, die den inneren Zusammenhalt verloren hatte. Das Klangbild war zerrissen, die technische Anlage mit sehr fragwürdigen Mitteln verändert und das Dekor des Gehäuses verstümmelt worden. Sicher gab es einmal wichtige Gründe für diese Umbauten. Der Zeitgeschmack hatte sich geändert, man wollte leichtgängige Orgeln haben, die mit hohen Stimmen strahlen konnten, um die Musik des Barock wiedergeben zu können. Von den warmen, weichen und dunklen Tönen der Romantik hatte man genug. Es wurde schlichtweg als Gefühlsduselei abgetan.
Nun war Ihre Orgel aber als ein hochromantisches Instrument gebaut worden und so wurde massiv in die bestehende Substanz eingegriffen. Die nicht ganz einfache Spielweise der Orgel und der Holzwurm haben bestimmt die Entscheidungen zu diesen Eingriffen erleichtert. Leider gab es etliche Orgelbauer, die diese Arbeiten allzu gerne durchführten und dabei wenig bis gar keine Achtung vor den bestehenden Instrumenten hatten.
In Siebenbäumen entstand so eine ungesunde Mischung aus guter alter Substanz und mittelmäßigen neueren Zutaten. Im Lauf der Zeit zeigte sich, dass die Veränderungen irgendwie doch nicht so ganz zum Instrument passten. Es traten immer wieder kleine technische Fehler auf, der Orgelklang war ausgedünnt und konnte die Herzen der Zuhörer nur noch schwer erreichen. Unverändert freute man sich aber an dem Klang der noch vorhandenen alten Register.
In dieser Phase hatte Ihre Gemeinde den Mut, über eine grundlegende Entscheidung nachzudenken: „Können wir die Orgel wieder auf ihren ursprünglichen Zustand zurückführen?“ Viele Untersuchungen, Gespräche, Gutachten und Angebote später stand dann die Entscheidung fest. Die Orgel sollte rekonstruiert werden. Sie betrauten uns mit der Arbeit und setzten damit ein enormes Vertrauen in uns, für das ich Ihnen an dieser Stelle danke. Zusammen mit Ihrem Orgelsachverständigen Herrn KMD Hans-Martin Petersen haben wir ein Konzept ausgearbeitet. Glücklicherweise war an Ihrem Instrument noch ein großer Teil originaler Substanz vorhanden, auf der wir gut aufbauen konnten. Der hohe handwerkliche Standard, mit dem Marcussen im 19. Jahrhundert seine Orgeln fertigte, machte sich nun bezahlt. Die Windladen, das Gerüst und die Pfeifen, die unverändert waren, sind von solcher Qualität, dass sie nach gründlicher Überarbeitung wieder zuverlässig ihren Dienst tun werden.
Andere Teile mussten neu konstruiert und nachgebaut werden. Es gibt noch etliche Marcussen-Orgeln aus dieser Zeit, und einige davon sind uns gut vertraut. So konnten wir die Bauweise studieren und den Spieltisch, die Mechaniken und viele Pfeifen genau nachbauen. Ein paar Register waren leider unwiderbringlich verloren. Doch die Plünderei an so mancher anderen Marcussen-Orgel kam Ihrem Instrumente nun zugute. So konnten wir den Bordun 16‘, das Gedackt 8‘ und den Violon 16‘ aus der alten Orgel in Langenhorn in Ihrem Instrument wieder zum Klingen bringen. Die Viola da Gamba 8‘ und die Fassadpfeifen mussten wir dann aber doch neu anfertigen.
Der logische Aufbau Ihrer Orgel – auch in diesem Punkt war Marcussen ein Meister seines Faches – machte es uns leicht, die ursprüngliche Konstruktion nachzuvollziehen. Auch den originalen Klang haben wir versucht zu rekonstruieren, was sich angesichts der Veränderungen an den Pfeifen recht schwierig gestaltete. Vorhandene Instrumente, in denen noch unveränderte Stimmen vorhanden sind, haben uns als Vorbild gedient, und ich glaube, wir sind dem Original recht nahe gekommen. Irgendwann hatte jemand die Verzierungen am Orgelgehäuse abgeschnitten. Zum Glück nicht alle. So hatten wir die Möglichkeit, die fehlenden Kreuzblumen und Krabben nachzufertigen. Bis auf die Farbgebung sieht Ihr Instrument nun auch wieder so aus, wie es einmal war.
So können Sie heute eine Orgel hören und sehen, die nach einer langen Zeit wieder ihre Ursprünglichkeit zurückbekommen hat. Wenn sich nun wieder ein tüchtiger Organist – vielleicht wieder ein Lehrer – findet, der die Orgel zum Klingen bringt, schließt sich der Kreis und es heißt dann: Es war einmal und ist noch immer!
Noch einmal danke ich der Kirchengemeinde Siebenbäumen für das Vertrauen, dass sie in unsere Werkstatt gesteckt hat. Besonders freue ich mich darüber, dass es gelungen ist, die Rekonstruktion Ihrer Orgel nicht in mehreren Abschnitten, sondern an einem Stück durchzuführen. So ist die Orgel nun wieder aus einem Guss.
Ich wünsche Ihnen mit Ihrer Orgel viel Freude und verbleibe, mit den besten Grüßen aus Kiel;
Ihr Orgelbauer Roland Monczynski, Paschen – Kiel Orgelbau GmbH